Liquiditätsrisiko eines Investmentfonds
Das Liquiditätsrisiko für Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVG) ergibt sich aus dem Liquiditätsrisiko für Investmentfonds. Zahlungsverpflichtungen eines Fonds sind in der Regel kurzfristig, jedoch investiert der Fonds oftmals in langfristige sowie illiquide Vermögenswerte. Dadurch entsteht ein Risiko den Zahlungsverpflichtungen / Rückgabeverlangen der Anleger nicht fristgerecht nachzukommen. Dies wird gemeinhin als Liquiditätsrisiko des Investmentfonds bezeichnet.
Die Liquiditätsspirale
Doch was ist nun die Liquiditätsspirale? Ende 2017 veröffentlichte die BaFin ihren Bericht zu Liquiditätsstresstest für KVGen (BaFin Bericht). Dort wurde der Begriff der Liquiditätsspirale erstmals eingeführt. Charakterisiert sind Liquiditätsspiralen durch eine massive Rückgabe von Fondsanteilen in einzelnen oder mehreren Segmenten / Anteilklassen. Dies wiederum führt zu weiteren Verkäufen einzelner Assets, um den durch die Rückgaben entstandenen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Starke Preissenkungen am Markt können folgen – dies kann wiederum zu weiteren Rückgaben und Verkäufen führen. Ebenso können andere Fonds / Assets infolgedessen selbige Effekte erleiden.
Management des Liquiditätsrisikos
Offenbar stellt die Liquiditätsspirale ein hohes Risiko für die Finanzstabilität dar. Aus Sicht des Risikomanagements ist es daher für die KVG wichtig ihr Investmentvermögen (Aktivseite) mit den erwarteten Zahlungsverpflichtungen (Passivseite) in Einklang zu bringen. Dies ist elementar, um im Notfall schnell liquide Mittel bereitstellen zu können.
Die Aktiva und Passiva werden hierbei separat analysiert, da sich die Charakteristik des Risikos anders darstellt:
- Aktivseite: Die KVG kann nicht genügend Zahlungsmittel generieren, um den Zahlungsverpflichtungen kurzfristig und zeitgerecht nachzukommen.
- Passivseite: Die KVG kann die hohen Mittelabflüsse durch massive Anteilrückgaben der Anleger nicht ausreichend bedienen, ohne die Portfolioallokation zu verändern.
Management der Aktivseite
Für das Management des Risikos auf der Aktivseite muss die Liquidität der einzelnen Vermögensgegenstände analysiert werden. Dabei sieht die BaFin die regelmäßige Überprüfung und Neueinstufung der einzelnen Aktiva in liquide und illiquide Vermögenswerte als elementar an:
„Um die Liquidität der Vermögensgegenstände auf der Aktivseite beurteilen zu können, ist es wichtig, dass die KVGen die Liquidität der Vermögensgegenstände der Aktivseite regelmäßig überprüfen und deren Liquidität neu beurteilen. Damit verschafft sich die Gesellschaft einen Überblick und kann auch die Entwicklung bzw. Veränderung des Liquiditätsstatus zeitnah verfolgen.“
Ob ein Fonds liquide oder illiquide ist hängt nicht nur von den investierten Assetklassen ab, sondern auch von etwa Branchen, Laufzeiten und Ratings.
Management der Passivseite
Um Risiken auf der Passivseite einzudämmen, müssen Voraussagen über etwaige Anteilrückgaben von Anlegern gemacht werden. Die Anlegerstruktur sowie die historischen Rückgabeverhalten der Anleger (Mittelabflussanalyse) sind zwei der Hauptgrößen um valide Aussagen über zukünftiges Verhalten der Anleger zu machen. Dies sieht die BaFin genauso:
„Für alle KVGen sollte die Analyse der Anlegerstruktur, die Betrachtung der Historie und daraus abzuleitende Prognosen selbstverständlich sein, um das Bewusstsein für Mittelabflüsse zu schärfen. Eine Voraussetzung dafür ist das Vorhandensein einer ausreichenden Historie.“
Liegen jedoch nicht genügend quantitative Daten zur Analyse vor (z.B. bei Spezialfonds mit geringen Mittelabflüssen), so sollten qualitative Merkmale herangezogen werden (z.B. Gespräche mit dem Vertrieb und Investoren).
Quantifizierungsmöglichkeiten des Liquiditätsrisikos
Die Liquidität eines Fonds kann auf verschiedene Art und Weise quantifiziert werden:
- Liquiditätsquote: Anteil liquider Vermögensgegenstände an der gesamten Aktiva – Überwachung durch interne Limitsysteme
- Illiquiditätsquote: Anteil potentiell illiquider Vermögensgegenstände an der gesamten Aktiva
- Liquiditätskennzahl: Anteil liquider Mittel an den erwarteten Zahlungsverpflichtungen – Überwachung durch interne Limitsysteme (z.B. Ampelfarben)
- Liquiditätspunktesystem: Unterschied zwischen liquiden Vermögensgegenständen und erwarteten Zahlungsverpflichtungen (tägliche Messung über ein Jahr); Ermittlung einer Punktzahl pro Fonds als Summe der täglichen Werte – Überwachung durch internes Limitsystem
Liquiditätsstresstests (LST)
Liquiditätsstresstests sollen helfen das Risiko auf der Aktiv- und Passivseite mithilfe von Liquiditätsszenarien bewerten zu können. In der Regel werden Stresstests auf Tagesbasis angewendet, da börsentäglich die Rückgaben von Fondsanteilen möglich sind. Wichtig ist, dass jeder Stresstest sowohl normale als auch außergewöhnliche Liquiditätsszenarien betrachtet. Auf diese Weise kann sich die KVG ein Überblick verschaffen, wie sich die Liquiditätssitutation der Fonds in den einzelnen Szenarien verändert.
Stresstests auf der Aktivseite
Für Stresstests der Aktiva bedeutet dies, dass die Liquidität der einzelnen Vermögensgegenstände im Fonds abweichend von der Normalsituation simuliert werden. Dazu werden die Vermögensgegenstände z.B. in Liquiditätsklassen eingeteilt. Ebenso ist aber auch die Simulation unter Verwendung von Liquiditätsquoten möglich. Wie die Liquiditätszuordnung geschieht hängt von der KVG selbst ab. Üblicherweise werden jedoch Produktspezifika, Marktdaten sowie die eigene Einschätzung für die Zuordnung herangezogen. Auf Basis der Liquiditätszuordnung der einzelnen Finanzinstrumente unter Normalsituation wird dann die Liquidität des Fonds unter Normalbedingungen bestimmt. Die Liquidität des Fonds wird dann unter außergewöhnlichen Bedingungen durch statistische Modelle basierend auf historischen Daten, explizite zukünftige Stressszenarien oder auch Experteneinschätzungen abgeleitet.
Stresstests auf der Passivseite
Auf der Passivseite simulieren Stresstests einen erhöhten Mittelabfluss durch ein zunehmendes Rückgabeverlangen der Anleger. Wie auf der Aktivseite wird das Anlegerverhalten sowohl für Normal- als auch Stressbedingungen analysiert. Als Grundlage dienen hierbei entweder statistische Modelle unter Verwendung historischer Daten oder interne Einschätzungen. Standardmäßig müssen historische Daten in hinreichend großer Menge vorliegen um statistische Modelle anzuwenden. Dies wiederum führt bei Spezialfonds zu einer Problematik, da Rückgaben von Fondsanteilen nur in geringer Anzahl durchgeführt werden. Anleger haben aufgrund von entstehenden Liquiditätskosten jedoch ein Eigeninteresse in enger Abstimmung mit der KVG zu agieren. Rückgaben von Fondsanteilen sind somit normalerweise schon eine Woche vorher bekannt. In der Regel treten kurzfristige und massive Anteilrückgaben demnach nicht auf, sodass Stresstests für Spezialfonds wenig aussagekräftig sind und in der Praxis nur selten Anwendung finden.
Regularien, Regularien, Regularien
Anforderungen an das Risikomanagement für Investmentfonds sowie deren Liquiditätsmanagement sind hierbei in verschiedenen Regularien festgehalten:
- Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) – §§ 28 – 30
- Alternative Investment Fund Manager Level 2 – VO (AIFM Level 2 – VO) – Artikel 38 und 49
- Verordnung zur Konkretisierung der Verhaltensregeln und Organisationsregeln nach dem KAGB (KAVerOV) – §§ 4 – 6
- Mindestanforderungen für das Risikomanagement für KVGen (KAMaRisk) – insbesondere Abschnitt 4.3 und 4.8
Auch Anforderungen an LSTs sind in den Regularien (insbesondere KAGB & AIFM Level 2-VO) beschrieben. Aufgrund der hohen Risiken und möglichen Auswirkungen verbunden mit Liquidität und der Möglichkeit von Liquiditätsspiralen, versucht der Regulator mehr Transparenz im Liquiditätsmanagement zu schaffen. Um die durch neue Regularien entstehende partielle Daten- und Informationsverarbeitung zu reduzieren / optimieren, ist von großem Interesse, inwieweit bestehende Prozesse zur Liquiditätssteuerung verwendet werden können. Aus diesem Grund werden bereits seit 2017 Vorbereitungen der Aufsicht getroffen, um bestehende Bankprozesse auf die KVG-Seite zu transformieren.
Die ESMA konsultiert nun erneut…
Unsere aktuelle Präsentation zum Thema können Sie unter folgendem Link abrufen CVAServices_AIF_KVG_Liquispirale_v2_1.